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Besetzung:
Stück: St. Pauli im Jahr 1941. Die Nazis sind an der Macht und Deutschland befindet sich im Krieg. In „Leo's Bar“, einem Vergnügungstempel, den der charismatische Oskar Leonhardt führt, treffen sich regelmäßig die Swing Kids, eine Clique junger Leute, die mit unbändiger Lebenslust ihre Musik feiern: Swing! Rhythmen, die direkt ins Tanzbein gehen. Und ins Herz! Doch die Zeiten stehen auf Sturm für Max, Fritz, Heini, Alberta und Beate. Als eines Tages die junge Jüdin Emma bei Oskar auftaucht und ihn um Hilfe bittet, spitzt sich die Lage zu. Prompt verliebt sich Max in Emma, ohne jedoch ihr Geheimnis zu kennen. Und auch für die anderen Swing Kids wird das Leben zum Tanz auf dem Vulkan: Den Jugendlichen flattern die Frontbefehle ins Haus... „Swinging St. Pauli“ brodelt über vor ausgelassener Lebensfreude, die ihren Ausdruck im unvergleichlichen Rhythmus des Swing findet. Swing ist der rebellische Protest der jungen Generation gegen den Gleichtakt der Marschmusik, und Swing gibt das Tempo vor: Unaufhaltsam dreht sich das Schicksalsrad zwischen Freundschaft, Liebe und Verrat. Das historische St. Pauli zwischen Reeperbahn und Landungsbrücken bildet die Kulisse, in der die Swing Kids ihre Jugend feiern. „Swinging St. Pauli“, vom Autorenteam Martin Lingnau (Komposition), Edith Jeske und Heiko Wohlgemuth (Songtexte), sowie Lingnau, Wohlgemuth und Thomas Matschoß (Buch), wurde von der Fachpresse als seltener Glücksfall eines deutschen Spitzenmusicals und als herausragendes Highlight der Saison gefeiert. Die Uraufführung fand 2001 auf Schmidts Tivoli in Hamburg statt. Pressestimmen:
Gießener Anzeiger Gefährlicher Tanz auf dem Vulkan Landestheater Marburg spielt Musical "Swinging St. Pauli" - Radestocks Inszenierung hat wieder das Zeug zum Renner
Peter Merck OP Marburg Ein schöner Hauch von Metropole Marburg. Mit zwei Zugaben bedankte sich das Ensemble des Hessischen Landestheaters am Samstag für den langen Premieren-Applaus bei „Swinging St. Pauli“. von Gabriele Neumann „Leo's Bar“ ist das, was sich Jugendliche wünschen. Moderne Musik, die den Eltern sicher nicht gefällt, moderne Einrichtung und ein Wirt, der gegen die Obrigkeit polemisiert. Allerdings hat es Wirt Oscar Leonhardt (Thomas Streibig) 1941 auf der Reeperbahn nicht mit irgendeinem Ordnungsamt zu tun, das ihm die Schanklizenz entziehen könnte, sondern mit dem Nazi-Regime, das seinen Swing-Club mit wachsendem Misstrauen betrachtet. Die Hamburger Swing-Kids vergnügen sich scheinbar unbesorgt bei „Negermusik“, während die Wehrmacht in Richtung Moskau marschiert. Fast 30 Tänzer und Schauspieler wirbeln zum Eröffnungs-Song „Swinging St. Pauli“ über die große Vorbühne in der Stadthalle, und die akrobatischen Tanz-Einlagen von Regina Leitner und Stefan Piskorz geben Einblicke in die Ursachen der Furcht vor dem swingbedingten Sittenverfall. Dazu swingen „Atomic B. and the Huguenots“ zweieinhalb Stunden auf professionellem Bigband-Niveau. Die Inszenierung von Peter Radestock ist eigentlich eine Nummer zu groß für das Landestheater – aber eine überaus positive Grenzüberschreitung. Radestock hat gut daran getan, auf Experimente zu verzichten. Die hat „Swinging St. Pauli“, das Erfolgsmusical von Martin Lingnau, Thomas Matschoß, Heiko Wohlgemuth und Edith Jeske, auch nicht nötig. Stattdessen setzt Radestock neben dem Ensemble auf die hervorragende Band, die maßgeblich dazu beiträgt, dass sich trotz der Mehrzweckhallen-Architektur der Stadthalle so etwas wie Metropolen-Atmosphäre einstellt. Die „Bravo“-Rufe für die groovenden „Huguenots“ sind am Ende absolut verdient. Auch die Gesangsleistung der Schauspieler gibt überwiegend Anlass zur Freude. Stimmlich herausragend: Regina Leitner als Alberta Bitler. Mit „If you find a good man“ und „Albertas Lovesong“ verhilft sie den Zuhörern zu einer Gänsehaut. Thomas Streibig im Glitzerjackett überzeugt ebenfalls als Sänger, nicht nur beim Abschied mit „So long, goodbye“. Radestock und Rank haben die große Bühne in zwei Ebenen geteilt, in denen die volle Bühnentechnik zum Einsatz kommt. Vorhänge, Laufstege, Projektionen der Landungsbrücken im hinteren Teil, während vorne die Band im Orchestergraben versinkt. Die Tänzer der Tanzschule Henseling bewegen sich ebenso wie die Schauspieler in authentischen Kostümen der 40er Jahre über die Bühne. Kleidung, die damals für Erwachsene wahrscheinlich ebenso provokant war wie heute Hüfthosen. Zeitlos jugendlich ist auch ein Erzählstrang. Max Waldeck (Christian Holdt) verliebt sich in Emma (Juliane Beier: singt sich nach der ersten Ballade frei). Seine beiden Freunde Fritz (Stefan Piskorz, sängerisch und tänzerisch in guter Form) und Heinrich (Carl Pohla) sind auf dem Liebessektor schon erfolgreich. Fritz hat sich die schöne Alberta geangelt, Heinrich das brave BDM-Mädel Beate Stenzel (Joanna Maria Praml). Gemeinsam albern alle in Pennäler-Art herum, besingen „Dr. Fusel“ und treiben Schabernack – auch mit der Gestapo. Nur Oscar weiß, dass Emma Jüdin ist. Ihr Bruder war sein Lebensgefährte. Die Nazis haben ihn ermordet. Bald brechen die auch in die vordergründig heile Welt der Swing-Kids ein. Das kleine Glück wird brüchig, als Obersturmbannführer Koch (Stefan Gille) und Beates Bruder Arnold (Ulrich Wittemann) als Nazi-Schergen prügeln, diffamieren und schließlich zum Verrat auffordern. Doch das Musical ist kein Melodram: Jürgen Helmut Keuchel als Hamburger Alt-Kommunist Karl Koch oder David Gerlach als schlitzohriger Passfälscher Paul Schmidt geben der Handlung mit schelmischem Humor die Akzente, die die Grundzutaten Liebe, Schmerz und Verrat zum erfolgreichen Ganzen verbinden. Die 340 Zuschauer an den Tischen in der ausverkauften Stadthalle honorierten in der zweiten Hälfte jeden Titel mit Szenenapplaus und klatschten am Schluss so lange, dass das Ensemble zwei Zugaben gab. Für die Marburger wird es hoffentlich noch oft „The Swing is on“ heißen. Das Musical könnte zum Erfolg der Saison werden, wenn die Marburger einen kurzweiligen Abend mit Tiefgang schätzen.Gießener Allgemeine
Swingtime in Leos Bar auf St. Pauli Von den Autoren Martin Lingnau, Thomas Matschoß, Heike Wohlgemuth und Edith Jeske ursprünglich für Schmidts Tivoli in Hamburg konzipiert, zeigt sich auch die sterile Stadthalle diesmal von ihre freundlicheren Seite. Die Gäste sitzen bequem an Tischen mit Kerzen, die allerdings aus feuerpolizeilichen Gründen nicht angezündet werden dürfen, doch dafür sind Getränke während der Vorstellung erlaubt. Zwar hebt Alkohol bekanntlich die Stimmung - auch die Swing-Kids auf der Bühne machen ihre Erfahrungen mit dem Fusel -, doch allein die Begeisterung aller Mitwirkenden wirkt ansteckend. Mit geschickter Hand hat Regisseur Peter Radestock acht perfekt trainierte Tanzstunden-Paare in seine mitreißende Inszenierung integriert, die das rhythmische Wackeln mit Hüften und Händen, atemberaubende Überwürfe und spektakuläre Drehungen ebenso gut beherrschen wie die professionellen Hauptdarsteller. Denen bleiben natürlich die Gesangsnummern vorbehalten, bei denen zwei Frauen stimmgewaltig aufhorchen lassen. Die gesanglichen Qualitäten von Regina Leitner, die nach ihrem Mutterschaftsurlaub jetzt ins Ensemble zurückgekehrt ist, sind durch frühere Produktionen hinlänglich bekannt. Hier überzeugt sie als Alberta vor allem mit ihren vibrierenden Songs »If you find a good man« und »Albertas Lovesong«. Anmutig und zugleich ergreifend interpretiert Juliane Beier das eher stille »Jakobs Lied« und »Kann man denn so gehen?«. Ihre Emma ist es, die die jugendliche Clique von Alberta, Beate, Heini, Max und Fritz mächtig durcheinander wirbelt. Denn als Jüdin sucht sie Unterschlupf in Leos Bar, doch die hat die Gestapo längst im Visier. Das erneut überzeugende Bühnenbild von Andreas Rank ermöglicht einen nahtlosen Wechsel von der schicken Bar in kräftigem Orange-Rot zu den Spielszenen im Hintergrund, die mal in einem Bunker, mal an den Landungsbrücken angesiedelt sind. »The Voice« Thomas Streibig verleiht dem in der Klemme sitzenden Barbesitzer Oscar Leonhardt die notwendigen ernsten Züge. Unbedarft und neugierig aufs Leben präsentiert sich das Freundes-Trio von Christian Holdt, Stefan Pis-korz und Carl Pohla, zu dem sich Joanna Maria Praml als treudeutsche Beate gesellt. Hartnäckig verfolgt Stefan Gille als Gestapo-Chef Hundt sein Ziel und gewinnt durch leisere Töne außerordentliche Gefährlichkeit. Etwas schwer tut sich Ullrich Wittemann mit seiner Hans-Albers-Nummer, während Jürgen Helmut Keuchel bestens den Hamburger Slang eines Arbeiters beherrscht. David Gerlach kann als Schieber Paul Schmidt alles besorgen sogar Pässe. Auch wenn am Ende geschossen wird mit einem mulmigen Gefühl wird hier keiner nach Hause geschickt. Im großen Finale sagen alle noch einmal beschwingt »Goodbye«. Ein Extra-Applaus für die Band »Atomic B. and the Huguenots«. Marion Schwarzmann
Marburger Forum Begeisterter, minutenlanger Applaus, Bravorufe, Standing Ovation – was will ein Musical-Ensemble mehr nach zweieinhalbstündiger Aufführung? Und all dies haben Sänger, Tänzer, Musiker zur Premiere des Musicals „Swinging St. Pauli“ erhalten. Die Geschichte des Musicals entführt den Zuschauer in das Hamburg des Jahres 1941; das einzige, was den Jugendlichen verblieben ist, sind die allabendlichen geheimen Treffen im Tanzclub Oscar Leonhardts. Hier können sie fernab deutsch-biederen Liedgutes endlich ihre Jugend ausleben, können zum Swing, abqualifiziert als „Nigger-Musik“, tanzen, um so für kurze Zeit den Krieg und seine Nöte zu vergessen. Daß die Zeit dieser Oase jedoch ihrem Ende entgegentanzt, kündigt sich in zweierlei Ereignissen an: zum einen dem Besuch des Clubs durch Beate Stenzel (Johanna Maria Praml), Tochter einer absolut hitlerkonformen Familie, zum anderen dem Erscheinen Emma Löwensteins (Juliane Beier), einer jungen Jüdin auf der Flucht. Nach anfänglicher Ablehnung beschließt Oscar Leonhardt (Thomas Streibig), ihr zu helfen, doch die sich anbahnenden und bereits vorhandenen Liebesbeziehungen zwischen den jungen Leuten komplizieren die Situation, verzögern und verhindern letztendlich die Flucht ins Ausland. Die Gestapo erscheint, die Lage wird bedrohlich, ja hoffnungslos... Schon von vornherein war dem Zuschauer klar, daß ihn bei dieser Aufführung etwas besonderes erwarten sollte: So waren die gewöhnlichen Stuhlreihen aus dem Saal geräumt und durch Tische ersetzt worden – auf einer Ballustrade oder sternförmig auf eine Bühne hin ausgerichtet, wie in einem Tanzclub selbst, zudem dekoriert mit Kerzen (die jedoch niemand wagte zu entzünden), Servietten, einem an eine Menükarte erinnerndes Programm. Die mit Band besetzte Bühne war zur Tanzfläche einer Bar geworden, der Zuschauer somit von Beginn an in das Geschehen integriert, das sich in „seinem“ Club abspielte, nämlich in einer Mischung aus Standbildern und lebhaftester sprachlicher, sängerischer und tänzerischer Aktion, die sich über einen in Vorder- und Hintergrund geteilten Raum erstreckte. Obgleich am Kietz angesiedelt, verzichteten die Schauspieler jedoch weitgehend auf dessen lokales Idiom – schade. Allein Jürgen Helmut Keuchel alias Karl Koch, Vater eines der tanzwütigen Jugendlichen, hielt durchgehend am „Hamburger Snak“ fest. Mit der souveränen Lässigkeit eines Alfred P. Doolittle präsentierte er sich dem Publikum. Begeistert zeigte sich dieses auch von dem gesanglichen Können Regina Leitners, die die Rolle der Clubsängerin Alberta Bitler, überzeugend ausfüllte, in ihrer Stimme jenen Hauch hoffnungsloser Eleganz, der das scheinbar unbeschwert - freudvolle Gebaren der Tanzenden als Farce entlarvt und ahndungsvoll kommentiert. Bar jeder dunklen Vorahnung auf das Kommende erscheinen hingegen die Lieder Emma Löwensteins – eine Mischung aus Unschuld und Glauben an baldige Rettung. Nicht von ungefähr erinnert der Melodieverlauf den Kenner zuweilen an Disneys „Die Schöne und das Biest“. Nichtsdestotrotz konnte sich Juliane Beier auch diesmal nicht bei ihren schauspielerischen Aktivitäten zurückhalten, stimmgewaltig auf sich aufmerksam zu machen. Nun ja. Als Obersturmbannführer Günter Hundt und sein Handlanger Arnold Stenzel wurden Stefan Gille und Ullrich Wittemann zu einem schauspielerischen Synonym für den Begriff „guter Cop und böser Cop“; auch Thomas Streibig schien die Rolle des windigen Clubbesitzers wie auf den Leib geschrieben. Unterstützt wurden die tänzerischen Einsätze der Schauspieler durch ein teilweise sehr junges Ensemble an Tänzerinnen und Tänzern, denen man zwar gelegentlich Unerfahrenheit mit Bühnenauftritten anmerkte, andererseits aber auch ihr Engagement. Leider hatte man (wie so oft im Marburger Schauspielhaus) das Gefühl, daß die zur Verfügung stehende Tanzfläche eigentlich zu eng für all die tänzerischen Aktionen war. Fazit: Ein empfehlenswert bes(ch)wingter Abend, trotz all der Tragik, die in der „Story“ an sich liegt, gern gesehen, teilweise gern gelacht – mehr davon: Das Publikum weiß es zu danken – so wie am Premierenabend selbst. Tanja von Werner
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Gefährliche Musik: Swinging St. Pauli 1941 |
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